Eine Hommage an die Serben

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Nach zehn Tagen, an denen wir mit Kilometerzahlen nicht gegeizt haben, legen wir in Serbien in Bačka Palanka einen Ruhetag ein. Es regnet ohnehin und ein bisschen körperliche Regenerierung können wir gut gebrauchen.

Am Tag darauf freuen wir uns wieder richtig darauf auf die Räder zu steigen. Leider wird diese Freude durch das Wetter etwas getrübt. Eigentlich zum ersten Mal auf der Tour regnet es den ganzen Tag. Mal eher Nieselregen, mal gewitterähnlich, meist etwas dazwischen. Wasser von allen Seiten, schlechte Straßen und tiefe Schlaglöcher: hohe Anforderungen an Mensch und Material.
Die körperliche Belastung ist hier das kleinere Problem, vielmehr muss man sich geistig auf die Bedingungen einstellen und darf nicht in schlechte Laune verfallen. Nach zehn Kilometern im Dauerregen habe ich die richtigen Gedankengänge gefunden und schaffe es dem Tag positiv entgegen zu sehen. Frei nach dem Motto: Nach Regen kommt immer Sonnenschein.

Nichts als Regen

Wir waschen und trocknen unsere Sachen in einem Zweisternehotel in Obrenovac, nur einige Kilometer von Belgrad entfernt. Vor uns tut sich ein riesiger Hotelkomplex auf, der Einrichtungsstil erinnert an Russland vor 30 Jahren. Tatsächlich stellt sich heraus, dass das Hotel 1983 eröffnet wurde und mit 263 Zimmern damals das modernste in ganz Serbien war. Kurioserweise sind wir fast die einzigen Gäste und alles wirkt verfallen und unwirklich.
Ganz und gar nicht mehr allein sind wir eine halbe Stunde später, denn 500 Frauen strömen in das Hotelrestaurant. Hier steht nun wohl eine große serbische Feier an.
Wir möchten allerdings auch etwas essen, aber der Saal ist gerammelt voll. Der nette Rezeptionist öffnet die Rückwand des Saales, stellt für uns einen Tisch dahinter („damit Sie die schönen Frauen sehen können“) und lässt ungefragt Bier, serbische Fleischspezialitäten, Salate und Torte kommen. In dieser absurden Situation versuchen wir die Herzlichkeit nicht zu enttäuschen und müssen uns anstrengen alles aufzuessen.

Der weitere Weg durch Serbien ist beschwerlich, das altbekannte Auf und Ab, wo verrichtete Arbeit beim Erklimmen eines Hügels direkt wieder durch eine kurze Abfahrt zunichte gemacht wird. Fairerweise muss man sagen, dass hügelige Landschaften zwar anstrengender zu fahren sind, dafür aber auf Dauer nicht eintönig werden, sondern mit immer wechselnden, meist spektakulären Ausblicken aufwerten.

Schlafplatz bei einem serbischen Kloster

Das Streckenprofil ändert sich auch mit unserer Einreise nach Bulgarien wenig, wohl aber Land, Leute und Landschaft. Die ersten 50 Kilometer im Land wirken wie ausgestorben. Die wenigen Siedlungen und Dörfer sind menschenleer und Geschäfte oder Restaurants sind nicht aufzufinden. Völlig im Gegensatz zu den serbischen Städten müssen wir uns erst an ein neues Land gewöhnen.

Viel wichtiger als die notwendige körperliche Leistung, an der man nach zwei Wochen intensiven Radfahreralltags nicht mehr zweifeln sollte, ist die psychische Belastung bei einem Projekt wie diesem. Es sind nicht die Beine, die einen den Berg hochbefördern, sondern es sind der Geist, der Wille und die unterstützenden Menschen im Hintergrund, die mitfiebern und motivieren. Es sind Gedanken wie dünne Grashalme, an die man sich klammert, wenn die Anstrengungen einer Etappe so groß sind, dass man händeringend nach Gründen sucht warum man sich das denn alles antut. Aber dann steht man oben und weiß genau: Deswegen!

Ein schweißtreibender Anstieg auf fast 900m bringt den Nebeneffekt eines grandiosen Ausblickes

Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Freude nach zwei Tagen des Campings ohne fließendes Wasser bei einem serbischen Kloster und einer serbischen Bauernfamilie im Hotel in Montana (Bulgarien) wieder eine Dusche und etwas Zivilisation genießen zu können.
Ebenfalls schön ist es nicht die ganze Nacht lang Gebell von Hunden ertragen zu müssen. Andere Radreisende berichten von wilden Hunden in der Türkei, die es lieben Radfahrern hinterherzujagen. Gleiches müssen wir bereits in Serbien feststellen. Fast jeder Haushalt hat einen Hund und fast jeder davon rennt uns hinterher, wenn wir vorbei fahren. Nachts fängt dann ein Hund an zu bellen und nach und nach stimmen alle anderen Vierbeiner in der Umgebung lustig mit ein. An Schlaf ist da nicht mehr zu denken.
Trotzdem haben wir die Gastfreundschaft und die Kommunikation mit Gesten und Zeichen bei den Serben wirklich genossen.


3 Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ha :) Was ein geniales Photo von dir an dem Tisch mit Blick auf die ganzen Frauen. Wunderbar!
    Super Bilder und wieder ein schöner Bericht von dir.
    ääü

    Und schee hier immer in die Kommentare schauen, wenn es mal an Motivation oder Antrieb für die Sache fehlt.
    Ich steh da so was von hinter dir! (gedanklich…zu mehr hat es von meiner Seite nicht gereicht :P )

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