Neues Land, neues Glück

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Aus einer kurzen Rast am Wegesrand wird eine ausgedehnte Tee-Pause bei netten Kurden

Aus einer kurzen Rast am Wegesrand wird eine ausgedehnte Tee-Pause bei netten Kurden

Vom Rückenwind werden wir am Van-See entlang geschoben. Ein halber Liter selbstgemachter Ayran, dessen Kühlkette offensichtlich nicht westeuropäischen Hygienestandards entspricht, bringt meinen Magen zum Rumoren. Abends wollen wir in einer Stadt am Rande des Sees übernachten, aber es gibt hier komischerweise kein Hotel. Man schickt uns in alle Richtungen und letztendlich eskortiert uns ein Polizeifahrzeug zu einer Pension für Lehrkräfte. Auch hier ist alles belegt. Wir fahren weiter durch das Örtchen und suchen eine Unterkunft. Dabei umringt uns eine Horde kurdischer Jungen auf Fahrrädern und lärmt mit mehr oder weniger sinnvollen Tipps herum.
Letztenendes steht aber fest: Einen Schlafplatz gibt es hier nicht. Wir kehren in einem Restaurant ein und ich bekomme den Lahmacun kaum herunter. Alles ist unreal, ich blicke wie durch eine Milchglasscheibe nach draußen. Der Gastwirt organisiert uns dann aber etwas. Wir können in einer Fußballhalle schlafen, die vor den Toren der Stadt liegt. Immerhin, keine Nacht mit Zelt und Regen!
Dort angekommen kann ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Wir lassen uns mit Isomatten und Schlafsäcken auf einer Aussichtsempore mit Blick in die Fußballhalle nieder und versuchen den dringend benötigten Schlaf nachzuholen. Mein Magen rumort und ich krümme mich vor Schmerzen. Die Fußballer trudeln ein und fangen an mit Lederbällen gegen die Betonwände zu schießen. Von überall dröhnt Gebrüll und Lärm. Ab und an springt der Dieselgenerator neben uns an, weil der Strom ausgefallen ist. Irgendwie schaffe ich es einzuschlafen und nach zwei Stunden beschließt sich mein Magen komplett zu entleeren. Wahrscheinlich die richtige Wahl. Ab da geht es wieder besser und um 23h macht die Halle dann auch zu. Wir können in Ruhe schlafen.
Was ein Abend!

Fußballhalle und gewöhnungsbedürftiger Schlafplatz am nächsten Morgen

Auch am nächsten Morgen ist erstmal keine Erholung angesagt. Der höchste Punkt unserer bisherigen Route steht auf dem Programm. Über 50 Kilometer geht es bergauf bis wir den Pass auf 2644 Metern überwinden.

Am Rande das Van-Sees in der Türkei sind wir nun bereits 5000 Kilometer im Sattel gesessen

Schwärmte ich letztens noch von der kurdischen Freundlichkeit, muss ich mittlerweile die Kinder davon ausschließen. Es passiert mir, dass ich von vier kleinen Knirpsen zum Anhalten gebracht werde. Sie wollen Geld haben und als sie nicht ablassen und ich versuche mich mit Vollgas aus dem Staub zu machen, halten sie sich am Fahrrad fest. Ein anderes Mal wirft man uns Steine hinterher. Und gegen Ende der Türkei schallt es immer, wenn wir an einer Siedlung vorbei fahren: „Hello tourist! Money!“. Gut, dass wir bald im Iran sind. Wir haben erstmal genug hiervon.
Immerhin machen wir keine schlimmen Bekanntschaften mit wilden Hunden. Meist bremsen wir einfach, wenn ein aggresives Tier angerannt kommt. Dann stoppen sie meist und machen sich wieder aus dem Staub.

Mit Vorfreude und Neugierde kommen wir der Grenze in den Iran näher. Bereits fünf Kilometer vor ihr staut sich eine zweispurige Reihe von Lastwagen. Das kann ja heiter werden, die stehen offensichtlich schon seit Tagen so herum und warten darauf ein paar Meter weiter fahren zu können.
Bei uns geht es dann doch etwas zügiger, eine Stunde später betreten wir den Boden eines Landes, das in den Medien nicht kontroverser diskutiert werden könnte.

Kilometerlang stauen sich LKW vor dem Grenzübergang

In den ersten Tagen im neuen Land zeigt sich, dass hier nicht alles so konservativ ist, wie angenommen. Zwar sieht man viele Frauen mit Tschador, einige sind aber auch sehr locker-westlich gekleidet, geschminkt und zurechtgemacht. Wir sehen händchenhaltende Pärchen in der Öffentlichkeit und die allgemeine Grundstimmung ist positiv.

An unserem ersten Tag in Persien treffen wir Alfred, einen Radreisenden aus der Schweiz. Er fährt die selbe Route wie wir, nimmt sich aber ein Jahr Zeit dafür. Seine Frau ist solange zuhause, aber sie ist das gewohnt, er macht lange Reisen wie diese öfter mal.
Wir fahren eine Weile zusammen und am ersten Abend zelten wir leicht abseits der Straße und kochen ein leckeres Essen. Alfred hat reichlich Kochuntensilien, Gewürze und Lebensmittel dabei. Die Menge an Equipment ist ungewohnt für uns, aber es ist schön komplett autonom unterwegs zu sein und sich beim Zelten in der Landschaft noch etwas Essen zuzubereiten zu können.

Unser Camp für die Nacht. Im Hintergrund sieht man den Berg Ararat aus fast 100 Kilometern Entfernung. Es ist der Berg, von dem man sagt, dass dort die Arche Noah gelandet sei. Wir sind in der Türkei ganz nah an ihm vorbei gefahren, konnten aber wetterbedingt nie die Spitze erkennen.

Wir erreichen nach einer Nacht in Marand die drittgrößte Stadt des Irans, Tabriz. Schon 20 Kilometer vor der Stadt wird der Verkehr sehr dicht und Lastwagen vernebeln die Sicht. In der Stadt angekommen ist ein ähnlicher Smog, überall riecht es nach Abgasen und schlechter Luft. Wir sind bereits am Mittag hier angekommen und nutzen den Tag, um den mit 7 km² Fläche größten überdachten Basar der Welt anzuschauen. Auch die Blaue Moschee, ein Wahrzeichen der Stadt, sehen wir uns an.

Der Asphalt auf iranischen Straßen ist vom Feinsten

Iranische Lastwagenfahrer grüßen immer herzlich und halten glücklicherweise auch mehr Abstand als erwartet

Noch ungewohnt ist das t’aarof, eine höfliche Verhaltensweise der Iraner. Uns wird öfter angeboten nicht für Essen, Hotel oder Taxi zahlen zu müssen. In Wahrheit erwartet das Gegenüber aber, dass man dennoch bezahlt, obwohl sie mehrere Male auf ihrer Meinung beharren. Man muss also immer mit allem Nachdruck darauf bestehen wirklich den Gegenwert zu übergeben zu dürfen.


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