Sanfte Wogen unterm Kiel

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Knapp eine Woche genießen wir Einsamkeit, Ruhe, Wetter, Essen und sportliche Betätigung. Unser frisch erworbenes Zweierkajak bringt uns auf die Idee den Spätsommer auf der französischen Loire zu verbringen. Und was für eine gute Wahl das war. Unaufhörlich begleitet uns die Sonne und brutzelt uns auf die Köpfe. Aber sie erwärmt auch den Fluss, der dadurch zum planschen einlädt. Für Ende September erwischen wir eine ungewöhnlich warme und regenfreie Zeit.

Das Kajak schnallen wir auf das Autodach und gelangen so nach Moulins in der Auvergne, der Einstiegsstelle für unsere Tour. Wir parken das Auto, wassern ein und beginnen unsere Flussfahrt auf dem Allier, einem Nebenfluss der Loire. Nachdem sich der herbstliche Morgennebel verzieht, der das Wasser in eine milchig-wabernde Oberfläche verwandelt, kommen zahlreiche Inselchen und dicht bewachsene, grüne Ufer zum Vorschein. Der Allier mäandriert mit zügig fließendem Wasser, aber ohne Stromschnellen oder größere Hindernisse, in einem malerischen Ambiente durch die Landschaft. Wir sehen einen Tag lang keinen Menschen und nur ganz gelegentlich lässt sich irgendwo in der Ferne eine Behausung erspähen. Das Wasser ist flach, aber noch ausreichend tief zum Paddeln. Daher lässt sich der feine Sandboden fast immer erkennen und lädt dazu ein die Beine auch mal im Wasser baumeln zu lassen. Auch auch wenn wir nicht aktiv paddeln, kommen wir noch voran, denn der Fluss zieht uns mit und erstaunt uns hinter jeder Kurve wieder erneut mit seiner unberührten Schönheit.

Am ersten Abend übernachten wir auf einer breiten Insel mit Sandstrand. Unbeirrt von den Blicken der Graureiher und smaragdblauen Eisvögel bauen wir unser Zelt auf und breiten die kuscheligen Daunenschlafsäcke aus. Bevor wir auf dem Kocher Nudeln und Soße zubereiten, schwimmen und waschen wir uns noch ausgiebig im Fluss. Als es dann dunkel wird, wir im Zelt liegen und den Klängen lauschen, versuchen wir zu erkennen, was wir denn da alles hören. Irgendwo in der Ferne ein bellender Hund, direkt neben uns eine Armada von quakenden Fröschen. Auch die Grillen zirpen unaufhörlich und aus dem anliegenden Wald raschelt und knackst es immerzu. Mich beruhigen diese Geräusche und bald fallen wir erschöpft von den ersten 35 gepaddelten Kilometern dieser Tour in einen tiefen Schlaf.

Auch den Kühen ist heiß

Auch den Kühen ist heiß

Diese Abgeschiedenheit und intensiven Naturerlebnisse begeistern uns und bieten trotz Anstrengung und anfänglichem Muskelkater genau die Erholung, die wir uns gewünscht haben. Die Saison ist schon lange beendet und so sehen wir während unser gesamten Zeit nicht ein einziges anderes Boot auf den Flüssen.

Blick nach hinten

Blick nach hinten

Schon am nächsten Morgen werden wir aus unserer Traumwelt geweckt. Beim morgendlichen Wasserlassen blicke ich einem Jäger mit neongelber Warnweste am anderen Ufer in die Augen. “Bonjour!”.
Kurz darauf ertönt ein Jagdhorn. So ganz in Einsamkeit, in der wir uns wähnten, sind wir dann wohl doch nicht. Wir beschließen, dass wir flugs unsere Sachen packen, frühstücken und dann flussabwärts aufbrechen. Kurz darauf entdecken wir ein junges Reh, dass wie vom Blitz getroffen aus dem Wald springt, über die Steine flitzt und dann im Allier versinkt. Ein Schuss war aber nicht zu hören und sogleich kommt der Kopf auch wieder an die Wasseroberfläche und mit heftigen Schwimmbewegungen schafft das Reh tatsächlich die andere Uferseite zu erreichen. Es ist der Treibjagd entkommen und nur wenige Sekunden später bekommen auch wir die Jagdhunde zu Gesicht, die sichtlich enttäuscht mit ihren schnüffelnden Nasen die Spur ihres Opfers am Ufer verlieren.

Gemütliches Frühstück auf einer Sandbank

Gemütliches Frühstück auf einer Sandbank

Einen halben Tag später hat uns die Zivilisation fast wieder. Neben einigen hübschen Schlösschen und kleinen Orten, die am Ufer auftauchen, müssen auch noch drei Wehre teilweise umtragen werden, was sich als mühselig herausstellt. Zum Glück haben wir einen Bootswagen dabei, der diese Tragepassagen etwas erleichtert. Beim Treideln des Bootes über eine Fischtreppe am letzten Wehr trete ich, zur Vergnügung der zahlreichen Schaulustigen, in ein Wasserloch, so dass ich bis zum Kopf im Wasser versinke. Immerhin, warm ist es ja.
Nur ein paar Minuten später mündet der Allier in die Loire, der wir nun weiter folgen wollen. Die Loire ist größer, breiter und nicht mehr ganz so abgelegen. Dafür liegen so einige Städte direkt am Fluss, die nicht nur hübsch anzusehen sind, sondern sich auch hervorragend eignen, um Lebensmittelvorräte in Form von Baguette, Käsespezialitäten und Wein aus der Region aufzufüllen. Auch einige Campingplätze gibt es von Zeit zu Zeit in Ufernähe, teilweise haben sie aber saisonbedingt schon geschlossen.

Ein üppiger Mittags-Snack

Ein üppiger Mittags-Snack

Als wir die Stadt La Charité-sur-Loire erreichen, kommt eine schmucke Steinbogenbrücke zum Vorschein, unter der ein Steinwurfwehr passiert werden muss. Laut Flussführer und Beschilderung ist der dritte Bogen von rechts für Kanus fahrbar. Wir besichtigen die Durchfahrt und entscheiden uns dann die Durchfahrt zu wagen. Trotz Spritzdecken wird Sarah auf der vorderen Position ziemlich nass und die Schwälle machen die kurze Passage zu einer aufregenden Angelegenheit. Auch hier hat der von uns anvisierte Campingplatz leider schon geschlossen, obwohl er laut Webseite noch eine Woche offen haben soll. Wir sind nicht die Einzigen, die davon überrascht wurden. Eine ganze Reihe von Wohnmobilen steht ebenfalls vor dem geschlossenen Tor, deren Fahrer wild über Alternativpläne beratschlagen. Weiterfahren kommt für uns nicht in Frage, da es bereits dämmert und der folgende Flussabschnitt unter Naturschutz steht. Das heißt: absolutes Campingverbot mit empfindlichen Strafen.

La Charité-sur-Loire

La Charité-sur-Loire

Auberge de la Loire und Notre-Dame de La Charité

Auberge de la Loire und Notre-Dame de La Charité

Letztendlich schlagen uns die Wohnmobil-Rentner von der französischen Mittelmeerküste vor doch unser Zelt hinter ihren rollenden Häusern aufzustellen, als Abschottung gegen unerwünschte Blicke von der Straße. Wir folgen dem Angebot und schlagen unser Lager auf einem zwei Meter breiten Erdstreifen auf, der vom Abwasser des Wohnmobils schon etwas matschig geworden ist. Aber sobald man im Zelt ist und sich wie gewohnt einrichtet, ist der Standort eigentlich egal. Ob am Meer, am Fluss oder auf einem begrünten Verkehrskreisel: Solange es nicht zu laut ist, fühlen wir uns in unserem kuscheligen Zelt immer pudelwohl.
Morgens servieren uns die netten Franzosen aus dem Wohnmobil noch ein Frühstück mit Kaffee und Orangensaft und erzählen von ihrem neuen Leben: Als frischgebackene Rentner sind sie nun schon seit einem halben Jahr unterwegs und haben ganz in Ruhe und ohne Stress bereits Spanien und Portugal erkundet.

Unser wunderschöner Übernachtungsplatz

Unser wunderschöner Übernachtungsplatz

Am nächsten Tag landen wir in Saint Thibault, wo wir unser Boot auf dem Campingplatz lassen, um uns die Beine zu vertreten. Wir erklimmen einen Hügel, der den Ort Sancerre beheimatet. Er ist bekannt für seine in der Region produzierten Speisen, daher decken wir uns mit reichlich Crottin de Chavignol, einem nussig-aromatischen Ziegenmilch-Weichkäse, und Weißwein ein. Generell ist Frankreich ein kulinarisches Paradies und wir genießen nicht nur die mittägliche Vesper, sondern auch das gemütliche Kochen am Abend, das mangels Stauraum für Tisch oder Stühle eben immer im Schneidersitz stattfindet.

Abendliches Töpfe-Spülen in der Loire

Abendliches Töpfe-Spülen in der Loire

Unsere Reststrecke bis Briare erleben wir nicht mehr so intensiv, wie die vorherigen Tage. Das liegt einerseits am Kernkraftwerk direkt an der Loire, das schon von weiter Entfernung sichtbar ist und das Landschaftsbild stört, andererseits auch am Wetter. Der Himmel hat sich zugezogen und verdunkelt den Fluss. Die Farben sind nicht mehr so leuchtend kräftig, stattdessen wirkt das Wasser bedrohlich und wenig einladend.
Wir suchen einen Platz, um unser Zelt aufzuschlagen, aber zu viele Örtchen und Straßen säumen die Ufer, so dass von einem ungeschützten Lagerort in Wassernähe nicht die Rede sein kann. Wir entscheiden uns letztendlich für eine größere Insel, die zwar von überall gut einsehbar ist, aber immerhin keine Spuren von Menschen aufweist.

Ein ungeschützter Übernachtungsplatz

Ein ungeschützter Übernachtungsplatz

Unser letzter Paddeltag führt uns noch einige Kilometer bis nach Briare, wo wir uns die beeindruckende Kanalbrücke ansehen, über die Hausboote und andere kleine Schiffe die Loire überqueren können. Relativ unspektakulär erreichen wir dann unseren Zielpunkt, einen Campingplatz an der Loire, wo Sarah auf meine Rückkehr wartet, während ich mit dem Zug über Nevers zurück nach Moulins fahre, um das Auto nachzuholen.

Kanalbrücke in Briare

Kanalbrücke in Briare

Damit endet unsere kleine Allier-Loire-Ausfahrt, die für uns absolut intensiv, bereichernd und entspannend war. Der Zeitpunkt abseits der Hochsaison, ohne auch nur einen anderen Paddler zu sehen, dafür aber trotzdem warm und bade-geeignet, war glücklicherweise optimal gewählt.

Glühende Hitze auf dem flachen Allier

Glühende Hitze auf dem flachen Allier


3 Kommentare zu diesem Artikel

  1. Moin Valentin,
    Deinen schönen Bildvericht habeich mit Freude angeschaut. Ich bin am “spinnen” (mei Fraa) für eine (erste!) Paddeltour im Juni 215, etwa von Decize bis hinter Orleans -je nachdem.
    Ich habe die 8 Seiten aus dem DKV-Führer Nr. 6, Nordfrankreich, allerdings Ausgabe 2004. Auch die Loire-Seite von “riverinfo.de” mit Text und Symbolen habe ich auf dem PC.
    Frage:
    a) brauche ich unbedingt die DKV-Ausgabe von 2013 oder genügt obiges?
    b) falls DKV 2013: muss ich das Buch für € 20,00 mit 300 (!) Flüssen kaufen, obwohl ich nur einen brauche? Bin ein “alter Knoche”, siehe canadierforum.de, ob ich die anderen 299 Flüsse noch packe, steht dahin. Kann mir jemand ;-) die 6-8 Seiten kopieren?
    Ich hoffe, das ist nicht unpassend.
    Gruß, auch an “Sarah” – Hans (Saarländche)

    • Schade, hat keiner mehr hier reingeschaut. Ist aber insofern überholt, da ich mir, erkennbar ab Mitte 2015, 2 böse Krankehiten eingefangen habe, letztere schlägt auf die Lunge, da hat sich das mit Ferntouren. So erfreuen sich andere Leser und ich an meinen ober erkennbaren Touren aus 2002 – 2014. Was ich derzeit umsomehr pflege: Hüttenromatik, siehe mein www!
      Liebe Grüße an alle die hier reinschauen und artverwandt sind! Ein Treff in einer schnuckeligen Wanderhütte ist fast immer möglich, bin dort oft und gern unterwegs – mit Gitarre natürlich für die Hüttenromantik ;-)
      (Wander-, Radl- und Tramp-) Hans

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