Wüstenbegegnungen

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Hinter Tehran beginnt die Kavir-Wüste. Ich bin sehr gespannt auf die neue Landschaft und meine Erwartungen sollen nicht enttäuscht werden. Wir müssen uns anders organisieren und genug Vorräte für ein, zwei Tage mitführen. So dünn besiedelt ist es aber doch nicht, wir fahren immer mal wieder durch kleine Städte und vermeiden vorallem die Schnellstraße nach Osten, stattdessen nehmen wir einen landschaftlich anspruchsvolleren Umweg.

Im Hinterhof einer Moschee werden wir beim Abendessen neugierig beobachtet

Wellcome to yuor shoping!

Nach zwei Tagen Camping in sicherem und geschützten Abstand zur wenig befahrenen Straße sind wir nur noch eine Tagesetappe von Mashhad entfernt. Die Dämmerung setzt langsam ein und auf dem flachen Hochplateau gibt es keinen geschützten Schlafplatz. Eine Farm taucht auf und uns wird erlaubt dort unsere Zelte aufzustellen. Wir werden ziemlich bald in die aus Sandstein gebaute und schief dastehende Behausung der Bauersfamilie gebeten. Sie besteht aus Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer (Mutter, Vater und Tochter schlafen im selben Raum). Die Grundfläche des flachen Gebäudes beträgt insgesamt höchstens 30qm. Es ist spartanisch eingerichtet, aber trotzdem werden uns Wassermelone, Tee und geröstete Sesamkerne serviert. Eifrig wischt der Mann den Staubfilm von der Mattscheibe des uralten Fernsehers. Die Fenster werden geöffnet und in den dunklen, mit Teppichen ausgelegten Raum fallen noch ein paar Sonnenstrahlen, in deren Schein man den Staub sich bewegen sieht. Man ist wie immer interessiert an unserem Vorhaben und wir versuchen durch unsere Anwesenheit und Gespräche den Menschen auch etwas zurückzugeben.
Schließlich wollen wir das Haus verlassen, um unser Abendessen bei den Zelten zu verspeisen. Wir werden zuerst nicht gehen gelassen, da die Frau des Hauses offensichtlich gerade den Herd anheizt und ein Hühnchen zurecht gemacht hat. Wir sollen in zwei Stunden wiederkommen, dann gibt es Essen!
Es ist unmöglich sie davon zu überzeugen, dass wir unser Proviant dabei haben und dass wir wirklich nicht solche Umstände machen wollen. Abgesehen davon ist der Tag anstrengend gewesen und in zwei Stunden ist es bereits lange dunkel. Tatsächlich kommt der Bauer, der uns vorher stolz seine gut genährten Kühe und Schafe zeigte, irgendwann als ich schon längst schlafe, um uns für Hühnchen und Reis wieder ins Haus zu bitten. Ich bin noch am Träumen und bleibe verschlafen liegen, Thomas geht alleine mit. Ein Fall, wo die Gastfreundschaft so groß ist, dass es fast unangenehm wird. Ich möchte verhältnismäßig armen Menschen keine solchen Umstände machen und ihre Ehre erlaubt es nicht mal, dass man ihnen ein Angebot abschlägt.
Trotz allem, wie immer, eine schöne Begegnung.

Schließlich erreichen wir Mashhad, das Pilgerzentrum und religiöseste Stadt des Landes. „Vali’s Non-Smoking Homestay“ ist unser Ziel, eine Unterkunft, die uns schon von vielen empfohlen wurde. Es ist sehr familiär, wir wohnen im Haus der Familie, müssen aber im Innenhof auf Teppichen schlafen, da drinnen heute alles belegt ist. Das ist kein Jammer, denn draußen ist es nicht ganz so heiß und stickig und Teppiche sind auch gemütlich.
Zum Abendessen sind noch einige andere Gäste da und auf der Dachterasse werden bei reichlich Tee auf einer Plastikunterlage leckere iranische Speisen angerichtet. Die meisten sind, genau wie wir, in Richtung Turkmenistan und Usbekistan unterwegs. Manche mit dem Bus, andere mit dem Motorrad oder eben mit dem Fahrrad.
Ein Pärchen um die 50 Jahre aus den Niederlanden ist auch anwesend. Sie haben letztes Jahr ihr Haus verkauft und sind all ihr Hab und Gut losgeworden. Ihr ganzer Besitz passt nun in die Satteltaschen der Fahrräder und der einzige Draht in die Heimat ist die Kreditkarte.
Ein Japaner machte seinen Weg mit dem Bus von London nach Polen, kaufte sich dort ein Fahrrad und ist mit diesem bis nach Mashhad gekommen.
Es scheint als wäre Valis bescheidenes Haus in der Innenstadt von Mashhad ein Sammelbecken für allerlei Weltreisende, Aussteiger und andere Verrückte. Irgendwie schön.

Hervorragendes Abendessen bei Vali (zweiter von links)

Verwunderlicherweise gibt es auch bei unserem Turkmenistan-Visum keine Probleme. Wir haben es in Tehran beantragt und bekommen es nach einer Viertelstunde Wartezeit in Mashhad in den Pass geklebt. Alle Einreisefragen für die nächsten Wochen sind damit erstmal geklärt und wir können uns wieder komplett auf den Tritt in die Pedale konzentrieren.
Es sind noch 170 Kilometer bis zur Grenze nach Turkmenistan und ich bin ein bisschen traurig den Iran zu verlassen. In über zwei Wochen habe ich das Land, die Menschen und die Landschaft lieben gelernt. Das Streckenprofil ist hier vorallem verhältnismäßig eben, daher bleibt nur noch der Wind als ständiger Feind des Radfahrers. Er verhält sich hier ziemlich komisch. Stundenlang kann er konstant von vorne pusten und nach einer kurzen Mittagspause dreht er um 180° und schiebt uns den Weg weiter. Das verstehe wer will.


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