Bukhara ist die erste große Stadt in Usbekistan, die wir erreichen. Offensichtlich ist Bukhara auch bei Europäern ein beliebtes Ziel, denn wir treffen zum ersten Mal auf unserer gesamten Tour auf Reisegruppen, die sich die wirklich schöne Altstadt ansehen. Schaut man hinter die Kulissen oder klopft mal an die massiv aussehenden Steinwände mancher Gebäude, merkt man, dass hier etwas hohl ist. Viel wird wohl nur als Fassade für die Touristenströme aufgezogen, obwohl man nicht von der Hand weisen kann, dass die Stadt eine lange Historie hat. Verlässt man die Altstadt nach Süden, hören die anmutigen Ziegelsteinbauten schlagartig auf und der eigentliche Baustil der Usbeken kommt zum Vorschein.
Im Umkreis von hundert Metern um den zentralen Platz Lyabi-khauz, der mit einem um 1620 angelegten Wasserbecken ausgestattet ist, gibt es dutzende Hotels. Wir treffen hier fast alle Leute wieder, die wir in den letzten zwei Wochen kennen gelernt haben. In der kompakten, aber wunderschönen Altstadt läuft man sich zwangsläufig über den Weg und wir tauschen aktuelle Erfahrungen aus.
Eine interessante Geschichte haben zwei Engländer zu berichten, die sich aus Zufall in Südkorea kennen gelernt haben. Sie wanderten dorthin aus und arbeiteten als Englischlehrer. Nach knapp einem Jahr kam die Idee auf mit dem Fahrrad wieder in die Heimat zu fahren und als genügend Geld gespart war, nahmen sie die Idee in Angriff. Als wir sie in Usbekistan treffen, haben sie China bereits komplett durchquert und geben uns ein paar nützliche und interessante Informationen.
Im Vergleich zu unserer Detailplanung sind sie allerdings relativ unorganisiert. Auf Landkarten verzichten sie vollkommen, was einmal dazu führte, dass sie in Kirgistan tagelang insgesamt 800 km in die falsche Richtung fuhren.
Alle anderen sind wie wir in die entgegengesetzte Richtung, nach Osten, unterwegs. Im Gegensatz zu uns haben sie alle ziemlich viel Zeit, meist mehrere Jahre, sind komplett ohne Zeitlimit unterwegs oder reisen nach dem Motto „solange das Geld reicht“. Ich liebe das Reisen, aber für eine solche Dauer wäre das für mich unvorstellbar. Auf lange Sicht nie zu wissen, wo man am Abend landet, immer wieder die selben Fragen „wo kommst du her?“, „wo gehst du hin?“ beantworten, die tägliche, ungewisse Suche nach einem Schlafplatz auf sich nehmen und dabei ständig sein komplettes Hab und Gut auf dem Fahrrad mitschleppen. Das alles macht mir durchaus Spaß, aber als kompletter Lebensinhalt wäre es mir zu wenig.
Wenn wir anhalten, um etwas zu trinken, etwas im Reiseführer nachzuschauen oder uns kurz zu beraten, werden wir meist innerhalb von kurzer Zeit von vielen neugierigen Leuten umringt. Wir geben zu verstehen, dass wir mit dem Fahrrad aus Deutschland kommen, aber leider weder Usbekisch, noch Russisch sprechen. Trotzdem brabbelt man weiter fröhlich auf uns ein. Eigentlich versuche ich dann immer mit Gestiken weiter zu machen, aber das hilft hier nicht mehr. Daher haben wir uns überlegt einfach auf unserer Sprache genau wie sie irgendetwas zu reden.
Eine typische Konversation:
Usbeke: „bla bla bla“ auf Usbekisch/Russisch
Ich: „Germanje“ („Deutschland“, das ist meist die richtige Antwort auf die erste Frage)
Usbeke: „bla bla bla“
Ich: „No Russki“
Usbeke: „bla bla bla“
Usbeke: „bla bla bla“
Usbeke: „bla bla bla“
Ich: „Ja, es geht uns gut, wir sind auf dem Weg nach Samarkand und werden gleich unter den Bäumen da vorne unsere Melone aufschneiden, die schmecken nämlich ziemlich gut hier bei euch.“
Usbeke: „…“
Usbeke: „bla bla bla“
Ich: „Ziemlich heiß, stimmt. Aber der Fahrtwind kühlt ganz gut. Wir stehen immer recht früh auf, morgens fährt es sich dann recht angenehm. Nach einer langen Mittagspause geht es dann weiter sobald es ein bisschen abgekühlt hat.“
Usbeke: „bla bla bla“
Ich: „bla bla bla“
Und irgendwie ist es dann doch ein Gespräch, das allen Spaß macht. Alle haben ein Grinsen auf dem Gesicht und die Verabschiedung ist herzlich. Es ist fast wie eine Unterhaltung mit manchen Personen auf Deutsch, die gar nicht zuhören, wenn mal der andere am Reden ist.
Usbekistan gefällt mir sehr gut und ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu Turkmenistan. Die Menschen sind nett und aufgeschlossen und es gibt Infrastruktur in Form von Läden am Straßenrand oder Hotels in Städten (ja, solche einfachen Dinge sind in manchen Ländern nur sehr spärlich gesät).
Wir probieren zum ersten Mal Plow, das Nationalgericht. Dabei handelt es sich um Reis mit Zwiebeln, Karotten und Hammelfleisch, das in riesigen Töpfen lange Zeit gegart wird. Hammel ist generell ein sehr fettes Fleisch, aber dass sich daumengroße Fettklumpen im Essen befinden, hätte ich nicht erwartet. Trotzdem, oder wahrscheinlich gerade deswegen, ist Plow eine der besten Speisen, die wir seit vielen Tagen gegessen haben.
Bezahlen müssen wir mit einem Stapel von Geldscheinen, denn der größte verfügbare Schein ist nur etwa 40ct wert. Überall sieht man daher Leute unmengen an Geld durchzählen. Die Geldwechsler auf dem Schwarzmarkt sind sogar mit Sporttaschen voller Scheine unterwegs. Warum führt man da nicht einfach größere Geldscheine ein?