Kameltour durch die Wüste

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Marrakesch ist aufregend, faszinierend und anstrengend zugleich. Es gibt viel zu entdecken, doch da wir einige Tage Zeit haben, bis unser Rückflug nach Paris ansteht, entscheiden wir uns dafür den Trubel erst einmal hinter uns zu lassen und buchen eine organisierte Tour in die Wüste. Nachdem wir während unserer gesamten Reise alles eigenhändig organisieren mussten – und das auch immer gerne getan haben, sitzen wir nun selbst in einem der noch am Tag zuvor spöttisch beäugten “transport touristique”-Busse.
Die Strecke wäre mit dem Tandem in der verbleibenden Zeit schwer zu bewältigen, da wir, um die Wüste zu erreichen, zunächst die vielen Serpentinenstraße durch das Atlas-Gebirge passieren müssen.
Es ist schön, dass wir so die Möglichkeit haben auch küstenferne Bergdörfer zu sehen, die nicht auf unserer Route lagen. Nachdem wir zwei Monate nur mit dem Fahrrad unterwegs waren, ist es unglaublich, wie schnell mal in einem Auto mühelos die Berge hinauffahren kann.

Auf dem Weg durch das Atlas-Gebirge

Unsere Gruppe besteht aus 13 Leuten, wir sind jedoch die einzigen, die ein wenig Französisch sprechen. Ich wundere mich immer wieder, wie es möglich sein kann, dass vor allem die lieben Italiener und auch Spanier nicht wenigstens eine Hand voll englischer Vokabeln beherrschen, wenn sie eine solche Reise antreten. Ein Italiener, der neben uns sitzt und sich etwas hilflos aussehend krampfhaft an der Gardine des Busfensters festklammert, versteht keine der Erklärungen unseres Fahrers und immer wenn er selbst etwas möchte, redet er ausschließlich italienisch. Wir fragen uns, wie er es geschafft hat diese Tour zu buchen.
Leider waren nur noch ganz hinten Plätze frei und so habe ich sehr mit aufkommender Übelkeit zu kämpfen, werde durch die vielen Schlaglöcher und die ruppige Fahrweise von links nach rechts geschleudert, während Valentin die komplette Fahrt über seelenruhig nach unten schaut und sein Buch liest. Um mich noch etwas mehr zu quälen, dreht der Fahrer jedes mal freudig am Lautstärkerädchen, wenn sein Lieblingslied, die Titanic-Filmmusik (My heart will go on), aber auf arabisch, erklingt. Das kommt in regelmäßigen Abständen vor, denn die Fahrt ist lang und wir haben nur zwei CDs dabei.
Wir überqueren den Tizin’tichka Pass (2260m) trotz abenteuerlicher Überholmanöver ohne Zwischenfälle. Gelegentlich gibt es einen “take nice picture-stop” und auch wenn wir es hassen, gesagt zu bekommen, wann wir wo unser Foto knipsen sollen, sind die Ausblicke wirklich atemberaubend. Am gegenüberliegenden Berghang sehen wir, gut getarnt, einige Berbersiedlungen. Die Häuser sind aus Schlamm gebaut und heben sich aus der Ferne kaum von den braunen Felsen ab.

Weiter geht es in die Stadt Ouarzazate, in deren Umgebung mehrere bekannte Hollywoodfilme gedreht wurden, Wir besichtigen die “Ait Ben Haddou Kasbah”. Diese alte Lehmbausiedlung gehört mittlerweile zum Weltkulturerbe der UNESCO und diente als Filmkulisse beispielsweise für “Die Päpstin”, “Gladiator”, zahlreiche Bibelverfilmungen, “Die Mumie” und “Prince of Persia”.

Ait Ben Haddou Kasbah

In der Stadt Zagora, die der Ausgangsort für die Karawanen ist, zeigt ein Schild die Entfernung nach Timbuktu an, 52 Tage – natürlich in Kamelrittgeschwindigkeit gemessen.
Wir müssen uns beeilen, denn die Sonne steht bereits sehr tief und alle freuen sich darauf, den Sonnenuntergang ausserhalb des stickigen Busses zu erleben.
Wir fahren, bis es mit herkömmlichen Fahrzeugen nicht mehr weiter geht, an den Rand der Wüste. Dort warten bereits die Kamele auf uns! Wir laden unser Gepäck aus und ich betrachte noch etwas skeptisch, worauf ich nun eine Stunde zum Nomaden-Camp reiten soll, in dem wir die Nacht in der Wüste verbringen werden.
Vom holprigen Bus steigen wir nun auf nicht minder wackelige Kamele um und mein flaues Gefühl im Magen bleibt weiter bestehen.

vor dem großen Sturm

Weltuntergang in der Wüste

Als wir aufsteigen, verändert sich das Wetter in kürzester Zeit: der Himmel verdunkelt sich, ein kühler Wind wirbelt Sand durch die Luft, ein Gewitter zieht auf. Das Wetterleuchten, das in der Wüstenlandschaft zunächst sehr bizarr aussieht, wird jedoch schnell recht unbehaglich. Die aufleuchtenden Blitze sind die einzige Lichtquelle und nur für wenige Sekunden sehen wir, wo wir sind. Ich wickle den Stoff meines Turban-Touristen-Schals eng um mein Gesicht und bereite mich darauf vor, nass zu werden, denn einige Tropfen fallen bereits vom Himmel und ich gebe die Hoffnung auf, dass wir es noch trocken zu unseren Zelten schaffen könnten.
Regen in der Wüste? Das haben wir nicht erwartet. Wie wir erfahren, hat es seit sechs Jahren nicht mehr so geregnet. Abermals an diesem Tag wird mit bewusst, wie klein wir sind, im Vergleich zur Natur. Zuhause würden wir uns in eine Decke gehüllt vor den Fernseher legen, mit einer Tasse Tee und Keksen und einfach warten, bis das Gewitter vorüber ist. Doch hier, auf einem Kamel sitzend, in der Wüste kann ich nichts dergleichen tun. Ich klammere mich am Sattel fest und versuche die Packtasche irgendwo zu befestigen und dabei nicht die Balance zu verlieren.
Die Kamele werden von der nicht sehr vertrauenserweckenden Dorfjugend angeführt, auch sie scheinen, genau wie die Kamele, nicht auf eine solche Ausnahmesituation vorbereitet zu sein.
Der Regen wird stärker und auf meine Haut prasseln steinchengroße Hagelkörner herab, die wie Nadeln pieksen. Nach wenigen Metern ist meine Kleidung triefend nass. Es schüttet wie aus Eimern. Bei der Buchung war das Hauptkriterium, das von den verschiedenen Veranstaltern angepriesen wurde, die Länge des Kamelritts, jetzt wünsche ich mir, dass wir so schnell wie möglich ankommen. An den schönen Sonnenuntergang denkt nun keiner mehr. Es ist stockdunkel, der Regen prasselt auf uns herab, sodass eine Verständigung mit den anderen unmöglich wird. Ich versuche mich komplett in mein Kopftuch einzuwickeln, um die Schläge der Hagelkörner etwas abzufangen und hoffe, dass die Kamele nicht durchdrehen. Eines hat sich von der Gruppe losgerissen und muss samt verschrecktem Reiter wieder eingefangen werden.

Nach weiteren 15 Minuten reiten wir nicht mehr durch Sand, sondern durch Wasser, das wild unter den Hufen vorbeifließt. Die Kamele versinken im Schlamm und wir kommen nur langsam voran. Ich schließe die Augen und hoffe, dass wir diesem Ausflug gut überstehen werden.
Noch sind wir nicht allzuweit von der letzten Stadt entfernt und nur am Rande der Wüste. Doch die
ist groß! Was mache ich, wenn mein Kamel mit mir durchbrennt? Abspringen? Oder festhalten? Und wo werde ich dann landen? Ich versuche mich nicht in die möglichen Gefahren reinzusteigern und vertraue darauf, dass schon alles irgendwie gut gehen wird. In solchen Situationen voll und ganz auf andere angewiesen zu sein, ist kein schönes Gefühl. Die jugendlichen Kamelführer diskutieren aufgeregt, was zu tun ist und wir werden schließlich in einen verlassenen Stall geführt, der glücklicherweise irgendwo im nirgendwo auftaucht. Pitschnass stehen wir alle irgendwo zwischen Galgenhumor und Schock unter dem Strohdach und wringen unsere Kleidung aus, während die armen Kamele mittlerweile in einem schlammigen braunen Fluß liegen. Unsere Führer rauchen erst einmal ein paar Zigaretten im Heu. Eine Frau fragt, ob sie nicht irgendwo Hilfe holen können, denn in diesem Stall möchte niemand so gerne die Nacht verbringen. Leider ist der Handyempfang gestört und so warten wir eine Weile, alle reden aufgeregt durcheinander. Im Stall gibt es kein Licht und so stehen wir alle wie die Schafe zusammen und bibbern. Man munkelt, ein Auto kommt uns abholen.
Nach einer Weile hören wir tatsächlich Motorengeräusche und rennen durch den Schlamm nach draußen. Noch nie war ich Passagier eines so vollbeladenen Autos. Wir klettern alle auf die Ladefläche und los geht die wackelige Fahrt durch Wasserlöcher, die bis an die Scheiben reichen. Die Kamele lassen wir zurück, einige sind verloren gegangen und müssen irgendwie wieder eingefangen werden.

Wüstentour oder Bootstour?

Wir erreichen schließlich das Camp und betreten alle das große Gemeinschaftszelt. Aufgrund der ungeplanten Umstände fällt die traditionelle Berbermusikvorführung etwas kürzer aus, was Valentin sehr freut, denn er hat vor allem eines: richtig großen Hunger!
Wir outen uns als gut organisierte Deutsche und packen unsere Schlafsäcke aus den wasserdichten Fahrradtaschen aus, nachdem wir unsere trockenen Wechselsachen angezogen haben.
Der Proviant einiger Mitreisenden befindet sich unglücklicherweise noch auf den abhandengekommenen Kamelen irgendwo in der Wüste. Der Italiener, der kurzerhand eine bunte Berbertischdecke als Rock umfunktioniert hat, wozu er seine rote Regenjacke trägt, sieht etwas mitgenommen aus.
Die vielen Wolken verdecken leider die Sicht auf den angepriesenen phänomenalen Sternenhimmel und so putzen wir mit dem Wasser aus den im Vorfeld gekauften Wasserkanistern (um eventuelle Wucherpreise in der letzten Stadt vor der Wüste zu vermeiden) unsere Zähne und gehen nach dem Abendessen recht schnell in unser Gruppenzelt zum Schlafen.

der nächste Morgen sieht schon viel einladender aus...

Frühstück in der Jurte

unser Camp in der Wüste

Am nächsten Morgen werden wir zum Sonnenaufgang geweckt. Diesmal sieht der Himmel blau aus und nur der nasse Sand erinnert daran, welche Wassermassen hier gestern vom Himmel gefallen sind. Auch die verlorenen Kamele sind wieder da und so können wir nach einem Frühstück die Rückreise antreten.
Schließlich erleben wir doch noch einen schönen Ritt durch die Wüste.
Nach einer langen Busfahrt durch die einsamen Berge werden wir wieder mitten im Getümmel auf dem belebten Marktplatz herausgelassen.
Wir sind froh, diese landschaftlich sehr beeindruckende Gegend Marokkos gesehen zu haben, das wäre mit dem Tandem nur schwer möglich gewesen.

Die Karawane zieht weiter


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