Im Freiluftmuseum

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Ein Mann etwas abseits der Straße weist uns darauf hin, dass wir hier unser Tandem zur Frühstückspause besser nicht abstellen, da sich hier ein Bienennest befindet. Recht hat er. Aber bevor wir weiterfahren, plaudern wir noch ein wenig.

Seine Aussagen stimmen uns nachdenklich:
¨Ich wohne hier hinten und wollte gerade an der Straße entlang laufen, um etwas Milch für das Frühstück zu kaufen.¨
¨Ein tolles Fahrrad habt ihr da. Ich brauche auch bald wieder eins. Vier Jahre lang bin ich mit meinem herum gefahren und habe täglich 20 kg Gepäck damit transportiert. Aber irgendwann war ich dann einfach ausgelaugt und konnte nicht mehr.¨
¨Ich mache hier Hilfstätigkeiten, bringe den Arbeitern essen, kaufe ein und hole Waren ab. Am Ende des Tages habe ich dann meine 200-300 Schillinge (etwa 3 Euro) verdient und damit bin ich zufrieden. Eigentlich bin ich aber gelernter Ingenieur.¨

Wenn aber ein gut ausgebildeter, perfekt Englisch sprechender Arbeiter 90 Euro im Monat verdient, europäische Touristen aber für Safaris mehrere hundert Euro am Tag ausgeben, gerät die üppige Gewinnmarge offensichtlich nicht in die Hände der breiten Armutsschicht, die es eigentlich am nötigsten hätte.

Ein erholsamer Platz zum Zelten.

Ein erholsamer Platz zum Zelten.




Wir stehen in einem lieblos zusammengezimmerten Wellblechbau. An termitengeplagte Holzpfähle wurden die Außenwände genagelt, die aber, warum auch immer, nur bis einen halben Meter über den Boden reichen. Vor der Kanzel stehen mannsgroße Lautsprecher, auf dem Boden ein Kabelgewusel. Davor fünf Reihen Plastikstühle. Die Boxen plärren laute Gospelhits, so dass wir unser eigenes Wort nicht verstehen können. Wir sind von der Straße über eine kurze Sandpiste zu dieser ¨Kirche¨ abgebogen, um zu schauen, wie die vielen strenggläubigen Christen hier ihren Sonntag zelebrieren. Wir sind aber etwas zu früh – der Gottesdienst beginnt erst später.
Der Pfarrer nimmt uns aber sofort in Beschlag und erläutert uns seine relativ radikalen Missionierungs- und Expansionsabsichten des Christentums.
Irgendwann werden uns die Floskeln zu viel und wir wollen uns wieder aus dem Staub machen. Wir dürfen allerdings erst wieder gehen, nachdem wir in besagter Bretterbude zu dritt händchenhaltend mit geschlossenen Augen im Kreis stehen und der Pfarrer uns ein Abschlussgebet mit auf den Weg gibt.
In dieser Viertelstunde in der Kirche hat mir als strenggläubigem Agnostiker aber eigentlich am meisten imponiert, dass ¨Amen¨ englisch ausgeprochen genau so klingt, wie ¨ey, man!¨.

Eine der vielen sonntäglichen Partykirchen.

Eine der vielen sonntäglichen Partykirchen.

Szenenwechsel: Eine kleine Ortschaft, langgezogen über einen halben Kilometer entlang des Arusha – Nairobi Highways. Kiosks, Reifenservice, Schreiner und Restaurants säumen den Straßenrand. Davor jeweils Grüppchen aller Geschlechter, vereinzelt in knalligem Rot gekleidete Massai mit Löchern in den Ohrläppchen, so groß, dass man dadurch eine Frisbee werfen könnte. Einen allgemeingültigen Kleidungsstil kann ich nicht ausmachen: von knappen Röcken bei Zwölfjährigen über bauchfreie Afrika-Mamas bis hin zu vollverschleierten Moslems ist alles dabei. Wir rollen langsam heran und alle Augenpaare richten sich auf uns. Ich steige ab, um Wasser zu kaufen. Innerhalb von Sekunden wird Sarah am Tandem umringt und beäugt von einer neugierigen, aber distanzierten Menschentraube. Einer spricht Englisch und stellt die üblichen Fragen: “Warum? Woher? Wohin?¨. Ich komme wieder mit 1.5l Wasser. 1000 Tansania-Schilling, 40 ct. Wir füllen das Wasser in unsere Trinkflaschen ab, steigen wieder auf und während wir unser schwerfälliges und beladenes Tandem wieder auf Reisegeschwindigkeit bringen, spüren wir die hundert Augenpaare im Nacken, die uns ungläubig nachschauen.



Im Hintergrund der Mount Meru.

Im Hintergrund der Mount Meru.

Während wir dem weiteren Streckenverlauf folgen, passieren wir relativ unspektakulär die Grenze nach Tansania. Die Landschaft verändert sich ständig. Steppe ohne Vegetation, manchmal vereinzelte Grasflächen, mal kniehohe Büsche. Rote Erde mischt sich mit dem knalligen Blau des Himmels und dem durchdringenden Grün der Baobab-Bäume. Wir passieren den Mount Longido und den Mount Meru, letzterer ist weit in den 4000ern. Eingerahmt durch das Sichtfenster der Sonnenbrille sind diese Aussichten filmreif. Auch wenn sich die Landschaft mal nicht verändert, vertreiben wir uns gerne die Zeit damit Tiere zu entdecken. Und der sehr wenig befahrene Highway macht es in der Tat möglich, dass wir Zebras, Giraffen, Sträuße, Springböcke in freier Wildbahn, ohne jegliche Menschen oder Nationalparks in der Umgebung einfach zufällig treffen. Ein Frerilichtmuseum eben.


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