Auf Tandem-Safari

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¨Everything okay?¨. Nur die Konturen des Rangers, der uns im Zelt wachliegendem und, ob unserer ungewöhnlichen Reisegestaltung, durchaus auch leicht-masochistischem Pärchen, aus einigem Abstand im Schon-Dunkeln zuraunt, lassen sich mühevoll erkennen. Ja, könnte besser sein, aber okay schon irgendwie. Immerhin eine Süßwasserdusche gab es auf dem ausgewiesenen Campinggebiet im Nationalpark, das aber ansonsten nichts bietet und abgezäunt von den umgebenden Tieren ist es auch nicht. Groß angepriesen wird die Vielfalt in der Broschüre des Saadani-Nationalparks: Giraffen, Zebras, Elefanten, Flamingos, Krokodile und sogar Löwen soll es geben. Unsere ¨haben wir gesehen¨-Ausbeute ist eher gering. Ob das gut oder schlecht ist, wissen wir nicht recht. Denn der Park erlaubt es uns als Fahrrad-Fahrern einfach so durchzuradeln, insgesamt etwa 60 Kilometer. Ist das ratsam, wo doch einem als Safarijeepfahrer das Aussteigen untersagt ist? Was ist dann mit Absteigen vom Fahrrad?
Einsame Sandpiste, über eine Stunde kein Auto, keine Menschenseele, dafür aber erbarmungslos brennende Sonne in der weiten Steppe. Dazwischen wir, leicht ängstlich, mit Respekt, aber dennoch vorfreudig der Dinge harrend, die da kommen. Dann ein Rascheln, schnelle Bewegungen ein paar Meter neben uns, irgendwas ist im tarngeeigneten, mannshohen Gras! Sarah zuckt zusammen, ich versuche mit einem Schlenker, den ich durch meinen mittagessenbedingten Maisbrei-aufgeblähten Bauch nur behäbiger einleite als ich mir den Vorgang vor meinem inneren Auge eigentlich ausmale, das schwer beladene Tandem zu stabilisieren. Glück gehabt, nur ein paar schreckhafte Gazellen stürmen energisch davon. Diese Schrecksekunde, bei der uns ausgehungerte Löwen erspart bleiben, spukt mir auch nachts noch im Kopf herum. So wird die Nacht bei allerlei Tiergeräuschen, die ich weder deuten kann, noch mir allzu genau ausmalen will, zu welcher abscheulichen, menschenfressenden Bestie sie gehören, ziemlich lang. Innerhalb von zwölf Stunden Dunkelheit kann man sich erstaunlich oft um die eigene Achse drehen, den Schlafsack über die Ohren gestülpt, um den Zoo zu vergessen. Daneben Sarah, deren Gedanken ich spüre. Sie verflucht den Harndrang und weiß nicht welche Furcht größer ist: Die beim Wildpinkeln von streunernden Affen belauert oder die bei selbigem Vorgang vom bewaffneten Ranger inspiziert zu werden. Auch mit voller Blase und luziden Albträumen, jede Nacht endet. Und bei Helligkeit ist auch alles wesentlich normaler. Wir genießen den restlichen Weg im Nationalpark und erspähen höchstens weit entfernt einzelne Tiere. Mittags sind wir dann schon in Bagamoyo, der ehemaligen Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas. Einige baufällige Gebäude hat die Kolonialgeschichte zurück gelassen, ansonsten ist die Stadt, abgesehen vom traumhaften palmengesäumten Campingplatz direkt am Meer, für uns eher glanzlos.

Wildes Buschfeuer im Saadani-Nationalpark

Wildes Buschfeuer im Saadani-Nationalpark.

Schöner Zeltplatz in der Travellers Lodge in Bagamoyo

Schöner Zeltplatz in der Travellers Lodge in Bagamoyo.

Ein Tag später, Sprung ins Paradies, allerdings mit beschwerlicher Anreise. Eine typische Einfahrt in eine Großstadt eines Entwicklungslandes, die gekennzeichnet ist von rüpelhaften Fahrern, Smog, Stau, brenzligen Manövern. Aber ich habe meine Hausaufgaben gemacht und schon in Istanbul, Teheran, Tiflis, Barcelona und Marrakesch fahrradfahrenderweise trainiert, um zielstrebig und unbeschadet den Fährhafen in Dar es Salaam zu erreichen, wo uns das online gebuchte Ticket (es lebe das Internet! In Afrika!) tatsächlich ausgehändigt wird. Um ein paar Euro Schmiergeld für die Tandem-Mitnahme komme ich aber nicht herum, denn die Fähre läuft in einigen Minuten aus und unsere Druckmittel die Korruption auszusitzen, sind daher begrenzt. Immerhin ist auch bei Bestechung Feilscherei erlaubt. Anderthalb Stunden später setzen wir unsere Füße, Verzeihung, Räder, deren Schläuche auf den letzten 1250 Kilometern übrigens zwei mal geflickt werden mussten, auf den Boden von Sansibar. Am nächsten Tag erreichen wir Nungwi im Norden der Insel. Paradies in der Tat. Dickbäuchige Touristen, ja. Hohe Preise, ja. Dagegen arme ausgebeutete Einheimische, ja. Aber immerhin trägt diese Reise den Titel ¨Honeymoon¨ und daher lassen wir es uns jetzt auch gehörig gut gehen. Aber nicht kampflos, denn nachdem wir mit unserem Sensations-Tandem einige Unterkünfte abklappern, erhandeln wir uns einen sehr guten Preis. Wir bekommen dafür: Eine Hütte direkt am Meer, weißen Sandstrand, kristallklares, türkises Wasser, Cocktails und ein üppiges Frühstück mit tropischen Früchten. Und tatsächlich haben wir noch knapp zwei Wochen Zeit. Jetzt beginnt der Krimi: Schaffen es die beiden Masochisten zu entspannen oder kribbeln die Beine schon am zweiten Tag wieder? Ja, sie tun es. Aber vorerst besänftigen wir sie mit einer Joggingrunde am Strand unter ungläubigen Blicken von Einheimischen als auch Mzungus (wir nennen Touristen jetzt auch immer so).

Fahrräder, Särge, Leichen - die Fähre nach Sansibar nimmt alles mit.

Fahrräder, Särge, Leichen – die Fähre nach Sansibar nimmt alles mit.

Traumhafter Strand in Nungwi, Sansibar.

Traumhafter Strand in Nungwi, Sansibar.


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