Zwischen zwei Welten

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Eine Fliegenplage macht das Frühstück etwas ungemütlich.

Eine Fliegenplage macht das Frühstück etwas ungemütlich.

Ein Ausflug auf die iranische Insel Qeshm.

Ein Ausflug auf die iranische Insel Qeshm.

Irgendwie hat diese 65-jährige Großmutter im Babykörper den Weg auf meinen Schoß gefunden.

Irgendwie hat diese 65-jährige Großmutter im Babykörper den Weg auf meinen Schoß gefunden.

Nach unseren vielen Tagen in der iranischen Wüste, die aber meist weit über 1000m über dem Meeresspiegel liegt und aufgrund der Höhe immerhin noch ein halbwegs gemäßigtes Klima bietet, erreichen wir Bandar Abbas am Persischen Golf. Man sollte meinen die Abfahrt in die wichtigste Hafenstadt des Irans wäre mühelos und erfrischend. Stattdessen zieht auf halber Strecke ein Staubsturm, wie ihn ein Einheimischer bezeichnet hat, auf, und der Wind bläst uns so stark entgegen, dass wir bergab treten müssen und selbst dann nur mit 14 km/h vorankommen.

Wir machen einen Tag Pause, um auf die Fähre zu warten, die uns nach Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten bringen soll. Ein Flug wäre nur wenig teurer und viel schneller gewesen, aber nach einer so lange aus eigener Kraft zurückgelegten Strecke wäre es irgendwie schade den „Boden“ unter den Füßen zu verlieren. Zwölf Stunden dauert die Überfahrt, aber die Fähre ist nicht ausgebucht und so können wir uns auf drei Sitzplätzen quer zum Schlafen hinlegen.

Wir sind zwischen zwei Welten. Hinter uns liegen drei tolle Wochen im Iran. Vollgestopft mit unglaublicher Gastfreundschaft, netten Bekanntschaften, günstigen Hotels und leckeren Melonen. Das einzige, was jetzt noch davon bleibt, sind die brockenhaften Unterhaltungen auf Farsi mit den anderen Passagieren auf dem Schiff. Vor uns liegt Arabien. Gleichermaßen arabisch geprägt, aber dennoch so anders. Am Morgen legt die Fähre an und, wer hätte es gedacht, das Thermometer zeigt noch mal ein paar Grad mehr an als im Süden des Irans. Wir fahren ein paar Kilometer nach Dubai hinein und sind tatsächlich in einer neuen Welt. Eine Welt mit Palmen in der Wüste, saftig grünen Wiesen, Ferraris, Wolkenkratzern und Gucci. Wir deponieren die Fahrräder in der Unterkunft und fahren mit der Metro ins Stadtzentrum. Ein bunter Mix aus Arabern im Schaich-Outfit, Pakistanern und Touristen fährt hier mit. Man hält es kaum für möglich, aber es geht sehr schnell sich an fremde Sitten zu gewöhnen. Nach drei Wochen Iran und Frauen im schwarzen Tschador empfinde ich es fast schon als unzüchtig eine offene Frisur zu sehen. Und dazu noch unbedeckte Arme und kurze Röcke. Was ist das nur für eine Welt!
Wir schlendern durch die Dubai Mall (dem größten Einkaufszentrum der Welt) und beobachten das Treiben vorm Burj Khalifa (dem höchsten Gebäude der Welt). Und damit diese Stadt der Superlative am Laufen gehalten werden kann, sieht man überall Pakistaner, Inder und Bangladeschis Müllsammeln, Presslufthämmern, Mauern, Fensterputzen und Grasmähen. Die Frau auf der Bank neben mir schnippt lässig ihre nur halb gerauchte Zigarette auf den Boden: hohe Schuhe, enger Rock, iPhone, Louis-Vuitton-Tasche und arroganter Blick. Der Weg zum Aschenbecher ist ihr zu weit. Ein paar Sekunden später kommt ein fleißiger Arbeiter und sammelt den glühenden Stummel auf. Nur hundert Meter weiter sind dann die teuren Restaurants in Dubai Downtown. Ein zünftiges Hauptgericht schlägt mit über hundert Euro zu buche. Und während der stattliche Schaich sein Steak vertilgt, bekommt der Gärtner ein paar Meter weiter den Gegenwert eines Steaks als Monatsgehalt. Nirgends sonst fällt mir dieses Arm-Reich-Gefälle so stark und so negativ auf wie in Dubai. Aber trotzdem bleibt die Faszination des Überflusses, der Architektur und des Kultur-Mischmaschs. Aber zwei Tage sind dann auch genug. Fährt man vom Meer aus ins Landesinnere, hört die Bebauung schon nach wenigen Kilometern auf und die Wüste beginnt. Hier finden wir einen tollen Zeltplatz mit Blick auf die Skyline.

Der Jumeirah Public Beach ist einer der wenigen Strände, die öffentlich zugänglich sind. Aber vor der Kulisse macht das Baden doch wirklich Spaß!

Der Jumeirah Public Beach ist einer der wenigen Strände, die öffentlich zugänglich sind. Aber vor der Kulisse macht das Baden doch wirklich Spaß!

Schon am nächsten Tag reisen wir ein in den Oman: Ein Land, über das ich vor dieser Reise noch recht wenig wusste. Völlig zu Unrecht gibt es in diesem touristisch relativ unerschlossenem Land wenig Besucher. Denn bei den drei Millionen Einwohnern auf einer Fläche, die nur ein wenig kleiner ist als die der Bundesrepublik Deutschland, ist ungeheuer viel unberührtes Terrain vorhanden, das entdeckt werden kann.
Auch die sozialen Bedingungen für die Einwohner sind wegweisend im Vergleich mit anderen arabischen Ländern: Es gibt ein gutes Rentensystem, Bildung an den Schulen und Universitäten ist kostenlos und auch medizinische Behandlung ist gratis. Diese Annehmlichkeiten wirken sich aus auf die Mentalität und natürlich auch auf die Gastfreundschaft, die uns zugutekommt.

Das tägliche Leben im Oman ist vor allem geprägt von der Hitze, das merkt man an vielen Kleinigkeiten:

• Fast alle Geschäfte schließen zur heißesten Zeit des Tages.
• Man kann kaum einen Autofahrer erkennen, da die Scheiben extrem getönt sind.
• Möchte ein Autofahrer eine Cola kaufen, steigt er nicht in die Hitze aus, sondern hupt und wartet auf den Ladeninhaber, dem er seine Bestellung mitteilen kann.
• Es gibt so gut wie kein Geschäft, keine Wohnung und keinen Raum, in dem sich Menschen aufhalten, ohne Klimaanlage. Sogar eine klimatisierte Gartenhütte haben wir entdeckt.
• Sitze in Autos und Restaurants sind oft mit Plastik überzogen, damit der Schweiß nicht ins Polster gelangt.
• Geparkte Autos lassen den Motor laufen, so dass der Innenraum auch während eines Einkaufs weiter gekühlt wird.

Die Hitze alleine wäre noch erträglich, dazu kommt aber noch eine Luftfeuchtigkeit, die dafür sorgt, dass ich von morgens bis Abends mit einer Schicht aus Schweiß, Sand, Sonnencreme und Salz bedeckt bin. Selbst Gegenwind bedeutet auch nur, dass einem Luft wie mit einem Fön ins Gesicht gepustet wird. Voller Vorfreude springen wir in den Golf von Oman, aber bei um die 30°C Wassertemperatur kann auch das keine Abkühlung sein. Nachts habe ich dann die Wahl zwischen feuchtfröhlichen 35°C im Zelt oder 30°C im Freien, dafür kriechen dann aber die Mücken in alle Ritzen. Trotzdem: Die Strecke am Meer ist sehr reizvoll und führt durch kleine Fischerdörfer. Ab und an zeigt sich ein Kamel am Rande der Palmenalleen. Trotz der Hitze gibt es hier keinen Wassermangel, Grundwasser ist überall reichlich vorhanden. Der Staat stellt sogar Wasserzapfstellen für Trinkwasser, das elektrisch gekühlt wird und für jedermann zur Verfügung steht.

Als Felix gerade einen Platten flickt, werden wir, wie immer bei solchen Vorkommnissen, umringt von Schaulustigen. Besonders ist im Oman, das man auf die Frage „where are you from?“ eigentlich die Frage gleich zurück geben kann. Meist hört man dann „India“ oder „Pakistan“, seltener „Oman“. Aus der Gruppe lädt uns ein Omani in unserem Alter für zwei Stunden zu sich nach Hause ein. In der eindrucksvollen Villa wohnen zwanzig Personen der ganzen Großfamilie. Er erklärt uns auch, dass man sich an die Hitze nie wirklich gewöhnt und er auch nur ein Mal im Monat wirklich draußen ist. Da macht er einen Bootsausflug zum Angeln im Meer und das wäre dann schon wirklich heiß! Normalerweise hechtet man nämlich nur vom klimatisierten Auto ins Büro oder in die Wohnung. Immerhin, vor eine Woche vor unserer Ankunft war es wohl über 50°C warm. Wir haben also Glück.
Direkt vor der Villa führt eine Verbindungsstraße von der Autobahn zum Meer und viele Autos rasen hier entlang. Der Oman hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine der höchsten Verkehrsunfallquoten der Welt. Eigentlich ist das verwunderlich, denn die Straßen sind ziemlich breit, gut ausgebaut, nachts beleuchtet, haben immer einen Seitenstreifen und auch die Autos sind neu und modern. Und sauber sogar auch, denn es gibt ein Gesetz, das vorschreibt, dass Autos nicht staubig sein dürfen! Wahrscheinlich liegt es an den enormen Distanzen im Land: Eine monotone Wüstenstrecke bei Nacht kann durchaus einschläfernd wirken.
Unser Gastgeber möchte verhindern, dass die Kinder im Haus beim Spielen angefahren werden, daher kann man bei der Gemeinde eine Bremsschwelle beantragen. Das kostet dann etwas und man muss im schlimmsten Fall einige Jahre warten, da erst die wichtigeren Fälle bearbeitet werden. Wenn man darauf keine Lust hat, kann man aber auch einfach die Genehmigung einholen und dann den Geschwindigkeitshügel selbst auf die Straße spachteln. Und in der Tat ist das komplette omanische Straßennetz vollgepflastert mit diesen Hügeln, die uns aber glücklicherweise nicht so stark ausbremsen wie die Autos.
Nicht selten passiert es, dass ein moderner Geländewagen neben uns entlang rollt und wir „Do you need anything?“ oder „Welcome to Oman!“ hören. Oder es wird uns einfach eine Flasche Wasser heraus gereicht. Wir fühlen uns willkommen.

Zur Gebetsstunde am Wochenende platzen die Moscheen aus allen Nähten.

Zur Gebetsstunde am Wochenende platzen die Moscheen aus allen Nähten.


10 Kommentare zu diesem Artikel

  1. Freut mich, dass ihr da seid.
    Hört sich recht bitter an mit den Temperaturen, ich hoff ihr könnt die Zeit trotzdem anständig genießen. :)
    Bis in 2 Wochen

  2. Ein wunderbarer Eintrag mal wieder nach langem warten :)

    Die Bilder und Eindrücke an denen du uns hier immer teil haben lässt sind wirklich der Wahnsinn!
    Bis bald und genießt die letzten Tage auf dem Rad.

  3. Hallo! Schön, wieder von euch zu hören mit all den Fotos und Erläuterungen. Schön, dich zu sehen Felix (mit den weißen Beinen).Wenn sich schon die Menschen im Oman nicht an die Hitze gewöhnen können- wie kommt ihr damit klar? Noch eine gute Zeit im Zielland und viele Grüße von daheim!

  4. Hello,

    I met Mr.Felix and Valentin today in Oman. They stopped in my village for small break I think. Nice to know that they came all the way to their final destination which is my lovely country Oman.

    Good luck

  5. Da eure gemeinsame Reise zu Ende ist,wünschen wir jedem von euch weiterhin Glück auf euren Wegen!
    Danke Valentin für alles was wir dank deiner Berichte sehen und lernen konnten.
    Herzliche Grüße
    Franziska und Axel

  6. Hallo die Helden,
    Ich soll laut und deutlich sagen, dass euer Bericht so schön ist, dass ich für nächte Monat eine reise nach Persien gebucht habe!!…wooow ich bin gespannt.

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