Verlobungsring und Krankenhaus

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Schöne Strände in Muscat.

Schöne Strände in Muscat.

Einen halben Tag nach der Wäsche sieht meine so Hose aus - dank der Salzreste vom Schweiß kann die Hose fast stehen.

Einen halben Tag nach der Wäsche sieht meine Hose so aus – dank der Salzreste vom Schweiß kann die Hose fast stehen.

Es ist im Oman gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Beschilderungen von Geschäften auch in englischer Sprache vorhanden sein müssen. Das erleichtert es Besuchern ohne Arabisch-Kenntnisse ungemein.

Es ist im Oman gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Beschilderungen von Geschäften auch in englischer Sprache vorhanden sein müssen. Das erleichtert es Besuchern ohne Arabisch-Kenntnisse ungemein.

Eine improvisierte Müslischale.

Eine improvisierte Müslischale.

Im Iran traf ich einen sehr talentierten Fotografen, der schon viele Monate auf Reisen ist und beeindruckende Bilder produziert. Ich verbrachte einen Nachmittag mit ihm und lernte, wie man professionell Fotos konstruiert. Im Prinzip entsteht bei ihm das Foto im Kopf, dann muss er nur noch darauf warten, dass die Situation auch wie gewollt entsteht. So warten wir etwa im Inneren einer Moschee eine halbe Stunde auf eine Frau im schwarzen Tschador, die durch das Bild laufen soll. Ein anderes Mal in einem dunklen Basar auf einen Motorradfahrer, am besten noch mit gesamter Familie auf dem Sitz. Es klappt tatsächlich, aber es dauert halt etwas.
Dieser Fotograf sagte mir: „Die Kamera ist der Schlüssel zu Kontakten“. Bei uns ist es eher das Fahrrad. Nur weil wir das Fahrrad haben, stellt man uns zum gefühlt tausendsten Mal die Frage wo wir herkommen, wo wir hinwollen und warum wir bei dieser Hitze überhaupt Fahrrad fahren. Ich glaube bei vielen Einheimischen löst das einen Gedankengang dieser Art aus: „Die Jungs sind von Deutschland hier her gefahren und haben den Oman zum Ziel ihrer Reise gemacht. Das ist toll. Und sie fahren mitten in der Mittagshitze durch mein geliebtes Land. Diese Strapazen will ich belohnen und lade sie zu einem Orangensaft ein!“.

Ich sitze im Flugzeug. Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren läuft, sind meine Hände schwitzig und das Herz pocht. Ich bin aufgeregt. Gar nicht mal, weil meine Frage negativ beantwortet werden könnte, eher aufgrund des Wiedersehens nach so langer Zeit und der Ungewissheit, ob meine Überraschung wie geplant gelingt.

Ich weiß nicht mehr genau, wann es war. Aber es war eine Kombination aus einem Einfall, der mir bei einer monotonen Etappe kam und einem Mittagessen-Dialog mit Felix. Er fragte: „Und, wann heiratest du Sarah?“. Und ich dachte mir: „Da müsste ich eigentlich mal fragen!“. Nachdem ich die kommenden Tage nutzte, um mir sicher zu werden, dass ich mit dieser Frau den Rest meines Lebens verbringen will, buchte ich kurzerhand einen Flug von Muscat (Oman) nach Amman (Jordanien) und zwei Nächte in der gleichen Unterkunft, die Sarah und ihre Freundin für einen Kurzurlaub reserviert haben.

Touristenmassen in Petra.

Touristenmassen in Petra.

Damit das logistisch alles wie geplant funktioniert, trenne ich mich von Felix. Er fährt während meiner Abwesenheit durch die Wüste nach Salalah, wo er zum feierlichen Ende unserer Tour auf mich warten will. Aber es kommt anders als erwartet. Während ich in Muscat am Strand liege und auf meinen Flug nach Jordanien warte, erreicht mich eine Nachricht von Felix. Er hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Er war aufgrund der kommenden Wüstenstrecke mit Wasser und Essen voll beladen als ihn ein Auto an einer Kreuzung übersah und einfach umfuhr. Er stürzte schwer und schlitterte einige Meter über den Asphalt. Neben einem ruinierten Fahrrad ist Felix aber neben vielen Prellungen und Abschürfungen nichts passiert, was nicht in ein paar Wochen heilen würde. Nochmal Glück gehabt. Der ältere Herr im Auto war sehr einsichtig und geschockt, die Schuldlage war auch klar. Die Polizei und die Ärzte im Krankenhaus verhielten sich vorbildlich und versorgten Felix gut. Der Fahrer musste sogar eine Nacht im Gefängnis verbringen. Er bezahlt Felix auch die Taxifahrt nach Muscat, wo ich ihn im Hotelzimmer besuche. Ich bringe etwas an Verpflegung mit, denn er kann nur unter Schmerzen etwas humpeln. Als ich das Zimmer betrete, kommt mir ein Schlag schwüle Luft entgegen. Da die Milchpackung in der Packtasche beim Sturz geplatzt ist, hängen alle Kleidungsstücke im Bad zum Trocknen. Wir unterhalten uns noch ein paar Stunden und dann sage ich auf Wiedersehen, weil unsere gemeinsame Reise hiermit ein vorzeitiges Ende gefunden hat. Felix nutzt die kommenden Tage für die Genesung und wartet auf seine Freundin, mit der er nach dem Ende der Fahrradtour noch mit einem Mietwagen den Oman erkunden möchte.
An dieser Stelle ein Danke an dich. An einen guten und ausdauernden Fahrradfahrer, einen entspannten und gewieften Reisepartner, einen gebildeten und weltgewandten Gesprächspartner, einen manchmal ziemlich schnarchenden Zimmergenossen und an einen Freund.

Felix im Krankenhausoutfit im Hotelzimmer.

Felix im Krankenhausoutfit im Hotelzimmer.

Das Fahrrad ist vom Sturz reichlich lädiert. Mit diesem eingedellten Oberrohr sollte man nicht mehr fahren.

Das Fahrrad ist vom Sturz reichlich lädiert. Mit diesem eingedellten Oberrohr sollte man nicht mehr fahren.

In Jordanien klappt alles wie geplant. Der Taxifahrer holt mich vom Flughafen ab und drei Stunden später bin ich im Beduinen-Camp. Ich erzähle einem Mitarbeiter von meinem Vorhaben und dann bindet er mir sein Dreieckstuch um den Kopf. Jetzt kann man mich nur noch an meinen Augen erkennen. Und dann entdecke ich Sarah. Mit dem Rücken zu mir stehend bedient sie sich gerade am Abendessen-Buffet. Ich umschlinge sie fest von hinten und sie ist verdutzt, wehrt sich aber nicht. Nach zehn Sekunden schaut sie ihre Freundin fragend an. „Dreh’ dich halt mal um!“. Sie ertastet meine Hände und so langsam dämmert es ihr. Sie dreht sich um, unsere Augen treffen sich und dann reißt sie mir den Schleier aus dem Gesicht. Die erste Träne kullert über die Wange und die nächsten Minuten verbringen wir beide eng umschlungen und emotional gerührt miteinander. Ohne viele Worte. Es ist einfach schön wieder zusammen zu sein. Irgendwann nutze ich die Gelegenheit für meinen Heiratsantrag auf klassische Art. Erst sagt sie: „Aber ich bin doch noch so jung!“. Aber dann kommt das klare: „ja!“. Für einen Moment bin ich der glücklichste Mann der Welt.

Das Seven Wonders Bedouin Camp bei Petra in Jordanien.

Das Seven Wonders Bedouin Camp bei Petra in Jordanien.

Die nächsten beiden Tage verbringen wir gemeinsam in Petra bevor ich wieder zurück nach Muscat fliege und notgedrungen den Bus nach Salalah nehme. Durch diese ungeplante Verzögerung schaffe ich es nicht mehr die letzte Etappe durch die Wüste mit dem Fahrrad zurück zu legen. Extrem anspruchsvoll wäre sie allerdings geworden. Aus dem Busfenster heraus sieht man eine flache, weite Wüste. Keine Vegetation, keine Bäume, kein Schatten. Auf einer Strecke von 800 km gibt es nicht mehr als drei oder vier Siedlungen, wo man Verpflegung erhalten kann. Einerseits froh die Strecke nicht fahren zu müssen, andererseits traurig diese Herausforderung nicht bezwungen zu haben, erreiche ich am Abend Salalah. Die letzten zwei Nächte bis zu meinem Rückflug verbringe ich am Meer. Zu Ende geht eine Reise, die an Abwechslung kaum zu überbieten war. Von Schnee bis Hitze, von Wüste über Birkenwälder zu hohen Bergen, von Raststättenfraß bis zu kulinarischem Hochgenuss, von Sandpisten bis zu perfektem Asphalt. Wir hatten alles. Und nicht nur einmal war ein Tag so wunderbar und einprägsam, weil dieser Moment durch vorherige schlechte Tage erkämpft wurde. Aller Ambivalenz zum Trotz: Die netten Bekanntschaften waren in allen Ländern warmherzig und positiv. Ich kann mich an keine gefährliche oder auch nur unbequeme Begegnung erinnern.
Was bleibt, sind Erinnerungen an eine tolle Zeit. Eine Zeit, die mich weiter geprägt hat und mich als Mensch hat wachsen lassen. Ein besonderer Dank gilt zudem den fleißig kommentierenden, aber auch den stillen Mitlesern dieses Blogs. Ich hoffe die Berichte aus Nah und Fern haben euch Freude bereitet. Wir lesen uns beim nächsten Mal!


6 Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hey Valentin,

    die vielen fernen Länder mit ihren Landschaften, Straßen und ihrem Wetter prägen das Gesicht unserer Reise. Die Begegnungen mit all den herzlichen Menschen geben ihr eine Seele.

    An eine unbequeme Begegnung kann ich mich aber doch erinnern:
    Als du mir zum Geburtstag geschenkt hast, dass ich dir beim Reifen flicken helfen darf, gab es einen Typ, der meinte, sein Englisch sei ‘very nice, very good’.
    Was anderes konnte er nicht sagen, denn seine dummen Ratschläge gab er immer nur, indem er uns in die Finger gegriffen hat. Sehr unbequem ;-)

    Dein Dank an mich ist rührend und ich kann ihn nur gleichermaßen erwidern. Ich bin sehr froh, diese großartige Reise mit genau dir und nicht irgendjemand anderem unternommen zu haben.

    Also dann, komme gut wieder zurück in den Alltag, genieße den Sommer mit deinen Freunden und plant euer Fest. Wir sehen uns auf eurer Hochzeit.

    Felix

  2. Ich habe jeden eurer Artikel mit Spannung erwartet und gelesen und möchte mich für die spannenden Geschichten und Anekdoten bedanken die mir den Arbeitsalltag versüßt haben – meine Arbeitskollegen haben zeitweise mitgelesen und fragen sogar nach “dem Cousin im Iran” ;)

    Bei der Schilderung eures wiedersehens in Jordanien war ich ziemlich gerührt und ich freue mich sehr für euch!

    Ganz besonders freut es mich das wir uns hoffentlich am kommenden Wochenende sehen und ich dir einige Fragen stellen kann!

    gut Besserung und liebe Grüße an Felix (unbekannter Weise)

    bis bald

  3. Autsch.
    Gute Besserung an meinen Na­mens­vet­ter. Glück im Unglück. Aber immerhin die Reise “bis zum Ende” gepackt, Valentin wollte sich ja unbedingt am 1. Tag schon verletzen… :P

    Tja und Valentin: Glückwunsch ;)
    Man sieht sich dann sicher bald mal wieder. Lass den Bart dran! :D

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